»Schwellen zur Sphäre« |
»Schwellen zur Sphäre: die Alephs«von Jörg H. Schukys Viele erwachte Seelen begeben sich, gleich Pilgern, auf die Suche nach den sogenannten »Schwellen« oder »Aleph-Punkten«, Orten, an denen sich die Sphäre permanent oder auch nur zeitweilig manifestiert. »Über die Sireneninsel« von Jörg H. Schukys Zur Warnung Künden will ich von einer wundersamen Insel im gewaltigen Binnenmeer der unvergleichlichen Weslichen Welt, aber auch warnen! Dennoch weiß ich, dass diese Warnung Euch kaum zu besonnenem Handeln und vorsichtiger Zurückhaltung veranlassen, sondern eher das Gegenteil bewirken, nämlich Euch kopflos, verblendet und tollkühn machen wird. Die Alten im Ydd In den jungen Tagen unserer Welt, so heißt es, war die weite Yddia eine nahezu ebene Landmasse. In ihrem Zentrum lebte eine Alte Rasse, deren Zivilisation in vielen Dingen größer, mächtiger und fortgeschrittener als heute bekannte Reiche war, aber auch frevelhafter, unbesonnener und verworfener. Unter ihnen lebten sieben Nachkommen gefallener Engel, welche allein durch die Kraft der Worte in das Gefüge der Welt einzugreifen und aus den unsichtbaren Grundbausteinen der Materie unvorstellbare Gewalten freizusetzen vermochten. In blasphemischer Weise formten sie die Elemente, veränderten in widerlicher Art ihre Struktur und setzten Dinge in die Welt, die ihnen am Ende zum Verhängnis wurden. Von den Sirenen Als die Krieger des Blauen Volkes von Nekinadar in späteren Jahrhunderten auf der Yddia ihr Reich Sunabar gründeten, hatten die von ihnen angetroffenen Ureinwohner kaum noch Wissen von diesen Dingen. Doch die Blauen Priester lauschten ihren Überlieferungen und erahnten hinter dem Schleier primitiver Mythen den Zauber, welcher das als »Insel der Sirenen« bekannte Eiland wie ein Schleier umgab. Eine alte Schrift, welche die Sunabarer in die Alte Welt gebracht haben und die Priester des Gottes Vaisravana noch heute im alten Meerestempel von Naibutt hüten, enthält Warnungen an Schiffsführer, die Küstengewässer des Binnenmeeres nicht zu verlassen. Textstellen wie »Flieht vor den Schreien der Versteinerten!«, »Verstopft eure Ohren mit Wachs!« und »Kehrt um, wenn ihr die Klänge der Sphären hört!« sind erhalten und werden noch heute von Wissenden – oft jedoch vergebens – zitiert. Die Verlockung Jene mystisch-magische Insel im Binnenmeer Yddias aber ist ein Ort, den zu finden es Sterbliche bis ans Ende der Welt treibt, über die Grenze der Unendlichkeit hinaus – oder bis an den tiefsten Grund der Seele. Es ist nur ein Name, der wie beiläufig fällt und an ihr Ohr dringt, nur ein paar Worte, die in allen Dimensionen die gleiche Wirkung hervorrufen können. Vergebliche Suche Die Zahl der auf ihrer Suche Gescheiterten ist Legion; unbegraben sind ihre Gebeine, verstreut in Einöden oder verschlossen in hölzernen Särgen, die einst stolze Schiffe waren. Die meisten Sucher erlagen der fürchterlichen Gewalt der Elementalen und ihrer dienstbaren Geister, verbrannten, ertranken, wurden in alle Winde verstreut, von der Erde verschlungen oder verrückt. Andere zerschellten, schon der Insel ansichtig, an Klippen und Riffen oder wurden hinabgerissen und zerrieben im Sog des Mahlstromes Qurqacraph, des tödlichen Schlundes des Kosmischen Zerstörers. Einige, obgleich sie, glücklich dem Schiffbruch entronnen, den Fuß auf den geheiligten Boden der Wunderinsel gesetzt hatten, wurden bezaubert von dem klagenden Gesang ihrer Vorgänger und erstarrten gleich ihnen zu kaltem Stein auf den Feldern der Singenden Statuen. Wieder andere wurden in einem alten, zeitlosen Wald von verzauberten Bäumen zärtlich umfangen und verwurzelten, verwandelt und mit laubgekrönten Häuptern, in der geweihten Erde. Weitere Pilger versuchten, die von der Quelle des Lebens geborenen Fluss As'caonion hinaufzufahren, nicht wissend, dass es Blut ist, das sein Wasser rot färbt. Andere verschlug es zum schroffen Felsen des Schneejuwels, ihre Spuren verloren sich in den zahlreichen Spalten und Höhlen oder wurden von Geröllawinen zugedeckt. Manche, deren Zahl geringer ist, verirrten sich im geheimnisvollen Park Sariqaiavath, und es heißt, sie irrten dort umher als ruhelose Geister – zum Ergötzen zauberkundiger Katzen, deren Wohnstätte der Park ist. Und einige wenige verschwanden in dem labyrinthartigen Gewirr des Traumpalastes Eglizai, der sich wie Spinnwebwerk über dem Meer erhebt; sie erlagen den Träumen, die jedes seiner Gemächer birgt, oder wurden durch unachtsam geöffnete Türen fortgerissen in unbekannte Länder, Welten und Universen, aus denen es kein Zurück mehr gibt. Erfüllung Mag die Insel winzig wie der Daumennagel eines Gottes erscheinen, so ist sie für den, der sie betreten hat, von kontinentalen Ausmaßen. Der Strand der Singenden Statuen birgt ganze Völkerschaften zwischen seinen Dünen, und einer ihrer Ausläufer soll der Goldene Erg von Esran sein. In den Wäldern findet man uralte Kultorte, Schreine der Ewigkeit, bewacht von wunderlichen, in heiligem Zorne rasenden Kreaturen. Der Felsen des Schneejuwels türmt sich vor dem Pilger zu einem wolkenhohen Gebirge; seine verborgenen Pässe führen zu den heiligen Bergen dieser Welt. Das Labyrinth Sariqaiavath erstreckt sich bis in Sphären, welche nur die Katzen kennen. Und der wirbelnde Qurqacraph endet in einem Meer der Sterne, wie auch der Fluss As'caonion stromgleich nicht nur Wasser, sondern auch Seelen zum Ozean der Ewigkeit leitet. So mag es sein, dass die winzige Klippe die ganze Welt durchdringt und man nicht immer ein Schiff benötigt, um sie zu erreichen, sondern gleichsam einen Berg ersteigen, einen Urwald durchwandern, eine Wüste durchqueren oder an anderen, geheimnisvollen Orten – auch in sich selbst – suchen kann. Text © 1985-1990 by Jörg H. Schukys |